bildung & wissenschaft Oktober 2008

 

Rückblick — ein Jahr im Dienst

 

Berufsverbot: Nach dem Abschluss des Verfahrens sprach Hildegard Klenk für b&w mit dem Realschullehrer Michael Csaszk6czy, der seit September 2007 an der Realschule in Eberbach unterrichtet, über seinen Einstieg in den Beruf.

 

b&w hatte in den letzten Jahren immer wieder über den Fall be­richtet: Dem Realschullehrer Mi­chael Csaszk6czy wurde 2004 vom Oberschulamt Karlsruhe und 2005 vom hessischen Schul­amt Bergstraße die Einstellung in den Schuldienst verwehrt. Be­gründung: Es bestünden Zweifel an seiner Verfassungstreue. Die GEW hat Csaszkóczy politisch und mit Rechtsschutz unterstützt. Im August 2006 ließ der baden-württembergische Verwal­tungsgerichtshof die Berufung Csaszkóczys zu. Auch das Darm­städter Verwaltungsgericht hob den Ablehnungsbescheid des Schulamtes auf. Daraufhin wur­de Csaszk6czy zu Beginn des Schuljahres 2007/08 eine Stelle an der Realschule in Eberbach angeboten, wo er seitdem unterrichtet.

 

 

b&w: Wie war das erste Schuljahr für dich?

 

Csaszkóczy: In erster Linie habe ich das erste Schuljahr - bei aller Freude darüber, endlich unterrich­ten zu können - als unglaublich anstrengend empfunden. Ich hatte ja seit fast fünf Jahren nicht mehr im Beruf gearbeitet und kannte weder die aktuellen Lehrpläne noch die Schulbücher, erst recht nicht die neue Schule. Von einem Tag auf den anderen kam die Aufforderung, dass ich am nächsten Morgen in der Schule in Eberbach sein soll. Es gab einen riesigen Presserummel in der Kleinstadt im Odenwald.

Und natürlich war ich unsicher, wie Eltern, Schüler/innen und Kol­leg/innen auf mich und meine Vor­geschichte reagieren würden. Mei­ne einzige Chance, am neuen Ar­beitsplatz akzeptiert zu werden, be­stand darin, durch guten Unterricht zu überzeugen. Das hat mich im­mens unter Druck gesetzt. Ich habe aber das große Glück gehabt, auf ein ganz tolles Kollegium zu tref­fen, das sich menschlich und kolle­gial sehr solidarisch verhalten hat. Auch von den Eltern sind bisher nur positive Reaktionen gekom­men. Insofern habe ich jetzt zu Be­ginn des neuen Schuljahrs langsam das Gefvhl, wirklich in meinem Be­ruf angekommen zu sein.

 

b&w: Wie war im Rückblick die „Wartezeit” für dich?

 

Csaszkóczy: Mal ganz abgesehen davon, dass die Jahre des Berufsver­bots finanziell sehr prekär waren, war es auch eine unglaublich kräf­tezehrende Zeit. Dass ich nicht ar­beiten (im Sinne von Geld verdie­nen) durfte, bedeutete ja nicht, dass es keine Arbeit gab: Pressearbeit, Veranstaltungen,         Bündnisarbeit mit Gewerkschaften und politi­schen Gruppen, die juristische Aus­einandersetzung, das alles hat die ganzen Jahre über unglaublich viel Zeit und Nerven gekostet.

Zu meiner Promotion, die ich zwischenzeitlich gefördert durch die Böckler-Stiftung begonnen hat­te, bin ich viel zu wenig gekom­men. Und - auch das darf ja mal gesagt werden - psychisch geht es wohl an niemandem so einfach vorbei, von der Landesregierung über Jahre hinweg in allen Medien als Staatsfeind öffentlich angepran­gert zu werden. Es wird vermutlich noch ein wenig dauern, bis ich das alles wirklich verdaut habe.

 

b&w: Welche besonderen Vor­kommnisse gab es im ersten Jahr?

 

Csaszkóczy: Eine Gruppe von Nazifunktionären aus Hessen und Rheinland-Pfalz tauchte zu Beginn des letzten Schuljahres vor der Schule auf, hat Broschüren und die „Schulhof-CD” der NPD verteilt und gegen meine Einstellung pro-testiert. Anschließend wurde ein Video, in dem ein Bild von mir und Aufnahmen von der Schule, über Youtube ins Netz gestellt. Für die Schule, die ja gerade erst den Presserummel um meine Einstel­lung hinter sich hatte, war das eine ziemlich schwierige Zeit.

Vom Kultusministerium, das den Nazis über Jahre hinweg die Steil­vorlage für diese Kampagne gelie­fert hatte, gab es keinerlei öffentli­che Reaktion. Ich habe aber sehr viel Rückhalt aus dem Kollegium und, was mich besonders gefreut hat, von der SMV bekommen.

 

b&w: Welche weiteren Folgen hatte das positive Urteil des VGH für dich z.B. hinsichtlich Anrechnung von Dienstzeiten, Altersversorgung?

 

Csaszkóczy: Das Kultusministe­rium weigert sich nach wie vor kate­gorisch, irgendeine Entschädigung zu zahlen oder auch nur meine Ver­sorgungsansprüche anzuerkennen. Das ist letzten Endes ein Zeichen dafür, dass dort immer noch keiner­lei Unrechtsbewusstsein existiert, sondern man sich nur durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gezwungen sah, mich einzustellen. Wir haben deshalb mittlerweile vor dem Landgericht Karlsruhe Klage erhoben. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass das Ministe­rium vom Verwaltungsgerichtshof die jahrelange Verletzung von Grundrechten attestiert bekommt und dies zu keiner Konsequenz führt.

Es geht auch darum, ein Zeichen zu setzen, dass so etwas kein „Betriebs­unfall” ist, sondern nie wieder vorkommen darf. Das finde ich als Sig­nal für alle angehenden Lehrer/in­nen wichtig, die unter einem un­glaublichen (nicht nur politischen) Konformitätsdruck stehen. Auch die vielen hundert Betroffenen der Berufsverbotsverfahren aus den 1970er und 1980er Jahren sind bis zum heutigen Tag weder rehabili­tiert geschweige denn entschädigt worden.