Darmstädter Echo, 03.08.2007

Linksextrem, weil man "Genosse" sagt?

Berufsverbot – Verhandlung am Verwaltungsgericht um Einstellung eines Lehrers findet große Aufmerksamkeit

Einen zur Zeit bundesweit einzigartigen Prozess verhandelte am Donnerstag das Darmstädter Verwaltungsgericht. Der Lehrer Michael Csaszkóczy klagte auf Einstellung in den hessischen Schuldienst. Das Kultusministerium hingegen lehnt seine Einstellung ab, weil er Mitglied der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" ist. ,

"Spontan aus dem Lehrerzimmer geholt"

Michael Csaszkóczy, seit 2002 Realschullehrer für Deutsch, Geschichte und Kunst, hatte sich 2005 direkt bei der Martin-Buber-Schule in Heppenheim beworben. Aus einem Dutzend Bewerbern "ging er als bestgeeigneter hervor", wie das Gericht aus der Akte vortrug und wurde auf Probe eingestellt. Er bekam seinen Stundenplan und nahm an Lehrerkonferenzen teil. "Aber dann wurde ich nach Dienstantritt aus dem Lehrerzimmer herausgeholt", beschrieb er das spontane Ende seiner Probezeit vor zwei Jahren.

Der Prozesstermin war Anlass für über sechzig Demonstranten von der Linkspartei bis zur Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, vor dem Verwaltungsgerichtsgebäude in der Havelstraße zu demonstrieren und später - nicht immer still - der Verhandlung zu folgen. Regierungsoberrat Carsten Vaupel vom beklagten Kultusministerium sagte dort, die Bescheide seien rechtmäßig, "weil Zweifel an der Verfassungstreue nicht ausgeräumt werden konnten".

Die Vorsitzende Richterin KarinWolski fand jedoch, dass die Bescheide "kein Tatsachsubstrat" enthielten und fragte nach den Entscheidungsgrundlagen. Vaupel verwies auf die Internetseite der "Antifaschistischen Initiative", dort werde von "Genossen"gesprochen. Aufstöhnen und Augenrollen im Publikum. "Dass der Begriff Genosse schon reicht, um Verfassungsfeindlichkeit zu demonstrieren", wunderte sich Prozessbeobachterin Elke Steven, denn die Bezeichnung sei doch auch bei der SPD üblich.

Weiterhin, trug Vaupel vor, werde von der Initiative "Militanz als legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung" betrachtet. Csaszkóczy widersprach. Für ihn bedeutet militant nicht Bereitschaft zur Gewalt, sondern "kämpferisch für seine Überzeugung einzustehen" - wie es auch der Duden definiert. Sein Anwalt Martin Heiming erinnerte daran, dass sein Mandant Ansprechpartner der Polizei sei, um bei Demonstrationen deeskalierend zu wirken.

"Wo ist der Kern?"

Der weitere Hinweis des Regierungsoberrats, dass das Internet-Lexikon Wikipedia eine andere Militanz-Definition habe, verfing nicht beim Gericht. Verweise auf die "Rote Armee Fraktion" vor 30 Jahren ließen das Publikum grummeln und Richterin Wolski fragt "Wo ist der Kern?"

"Die Vorwürfe des Kultusministeriums sind absurd", fand Carmen Ludwig, stellvertretende Vorsitzende der GEW-Hessen, in einer Verhandlungspause. "Das Land zieht doch einen Vorwurf nach dem anderen zurück", so ihre Beobachtung der Verhandlung, "und bezieht sich nur noch auf die Mitgliedschaft in der antifaschistischen Initiative".

Beobachterin Silvia Gingold erinnerte sich an ihre Gerichtsverfahren von vor 32 Jahren. Damals galt für sie als Mitglied der DKP der "Radikalen-Erlass", der ihr eine Anstellung im öffentlichen Dienst verweigerte. "Damals fand auch keine Einzelfallprüfung statt." Aber sie lobte Richterin Wolski, weil sie die Argumente der Klägerseite würdigte und auch mit spontanen Äußerungen der Zuschauer "sehr moderat" umgegangen ist. Das habe es damals bei ihr nicht gegeben.

Nach der Pause warf Csaszkóczys Rechtsanwalt Martin Heiming Vaupel vor, nicht den Einzelfall geprüft zu haben, sondern einfach alte Bescheide aus Baden-Württemberg übernommen zu haben, wo Csaszkóczy 2004 vom Schuldienst ausgeschlossen wurde. Nur hatte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim 2006 diese Bescheide kassiert. Die reine Mitgliedschaft reichte den Mannheimer Richtern als Ablehnungsgrund nicht aus. "Sie müssen schon sagen, wenn sie Michael Csaszkóczy nicht glauben, aber dann auch sagen warum", so forderte er den Ministerialbeamten, auf mehr Begründungen zu liefern.

"Zweifel sind unberechtigt"

Nach gut einstündiger Beratung entschied das Gericht: Zweifel an der Verfassungtreue sind unberechtigt. Die alten Bescheide hob das Gericht auf, das Kultusministerium wird verpflichtet, einen neuen Bescheid zu erstellen. Das Gericht wies aber die Klage auf sofortige Einstellung in den Schuldienst zurück. „Das liegt im Organisationsermessen des Dienstherrn.“ Berufung lehnte die Kammer ab.

Ein Teilerfolg, aber Rechtsanwalt Heiming befürchtet , dass das. Ministerium "starrköpfig" bleibt und erwartet keine schnelle Einstellung in den Schuldienst. Der 37 Jahre alte Michael Csaszkóczy wird daher bis auf weiteres als Lehrbeauftragter arbeiten. Er unterrichtet Lehramtsstudenten an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, mawi

Teilerfolg für "linken Lehrer"

Prozess - Verwaltungsgericht hebt Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy auf - Seine Verfassungstreue steht nicht in Frage

VON JAN FELBER

DARMSTADT. Der als "linker Lehrer" bekannt gewordene Michael Csaszkóczy darf in Hessen an staatlichen Schulen unterrichten. Der 37 Jahre alte Pädagoge, der Mitglied in der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" ist, hat sich gestern vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt erfolgreich gegen einen Ablehnungsbescheid des hessischen Kultusministeriums zur Wehr gesetzt. Das Ministerium hatte die Ablehnung Csaszkóczys mit Zweifeln an der Verfassungstreue des Realschullehrers begründet. Diese konnten gestern seitens des Regierungsoberrats Carsten Vaupel nicht näher präzisiert werden - Grund genug für die Vorsitzende Richterin Karin Wolski, den entsprechenden Bescheid des Landes zur erneuten Überprüfung zurückzuweisen. Allerdings könne sie nicht, wie vom Kläger gewünscht, das Land Hessen dazu verpflichten, Csaszkóczy in das Beamtenverhältnis zu übernehmen.

Csaszkóczy, der vor zwei Wochen ein weiteres Bewerbungsgespräch in Baden-Württemberg geführt hat und auf eine Meldung wartet, war im August 2004 auch in diesem Bundesland wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue abgelehnt worden - von der damaligen Kultusministerin und heutigen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU).

Jahrelang im Visier des Verfassungsschutzes

Der Pädagoge, der von 2002 bis 2004 sein Referendariat mit „herausragenden Leistungen“ bestritt, war von 1992 bis 2004 vom baden-württembergischen Verfassungsschutz observiert worden. Akribisch hatte dieser aufgelistet, auf welchen Demonstrationen Csaszkóczy aufgetaucht war. Auch diese 20 Punkte zählende Liste war im März 2006 Anlass für das Verwaltungsgericht Karlsruhe gewesen, ihn vom Schuldienst auszuschließen.

Im März 2007 hatte Csaszkóczy mehr Erfolg: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim entschied, dass das Land erneut über eine Einstellung entscheiden müsse, obwohl die "Antifaschistische Initiative Heidelberg" als linksextrem eingestuft wurde. Es habe ihm jedoch nie nachgewiesen werden können, dass er sich an Gewalttaten beteiligt habe oder dass er die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Staat in Frage stelle. Genau dies waren die Argumente für das Staatliche Schulamt Bergstraße/ Odenwald, eine Einstellung abzulehnen. Allein die Mitgliedschaft in einer "militanten Vereinigung" begründe dies, sagte Vaupel.

Csaszkóczy hatte sich im Sommer 2005 an der Martin-Buber-Schule in Heppenheim (Kreis Bergstraße) beworben und war dort als bester von zwölf Kandidaten im Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt worden. An Konferenzen hatte der Lehrer für Deutsch, Geschichte und Kunst auch schon teilgenommen, der Personalrat hatte zugestimmt. Doch nur einen Tag vor dem Dienstantritt kam die Ablehnung aus Wiesbaden - wegen derselben Zweifel, die in Baden-Württemberg geäußert worden waren.

"Es ist nie geprüft worden, ob seine fachliche Qualifikation geeignet ist. Dann wäre herausgekommen, dass es kaum einen besseren gibt", sagte gestern sein Anwalt Martin Heiming. Eine Einzelfallprüfung habe nie stattgefunden, obwohl sie bei einer solchen Entscheidung zwingend vorgeschrieben sei. Vaupel verneinte dies: "Es reichen bereits begründete Zweifel an der Verfassungstreue, um eine solche Ablehnung auszusprechen." Laut Gericht bedarf es jedoch einer auf die Person bezogenen Einzelfallprüfung.

Bürgerplakette für Einsatz gegen Rechtsradikalismus

Csaszkóczy, dem die Stadt Heidelberg die Bürgerplakette für vorbildlichen Einsatz gegen Rechtsradikalismus verleihen will, legt Wert auf die Feststellung, dass er sich als "militanten Pazifisten" bezeichnet - militant im Sinne des "Eintretens für meine Überzeugungen". Er wolle dies auch nicht zurücknehmen, "das wäre geschmacklos und eine Verhöhnung aller Opfer des Nationalsozialismus". Vielmehr sei in den neunziger Jahren ein bedenklicher Trend zu beobachten gewesen: Rechte Übergriffe auf Ausländer etwa in Mölln, Solingen oder Hoyerswerda waren nach den Worten von Anwalt Heiming "leider fast schon wieder normal". Dagegen habe es einzustehen gegolten.

Dies war auch in den vergangenen Prozessen deutlich geworden. Vielmehr gelte er nach Angaben Heimings als deeskalierende Person, die sich bei einigen Demonstrationen bewährt habe. Heiming sah eine "fatale Tendenz" zum Rückfall in die Berufsverbote der siebziger Jahre. 1972 hatte die Regierung Brandt ein Dekret erlassen, das als „Erlass zur Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienstzu Berufsverboten geführt hatte. 1995 tadelte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dies als "Verstoß gegen die Meinungsfreiheit".

Wenn die Behörden von Verfassungstreue reden würden, müsse im Übrigen auch über die Umstände von Csaszkóczys Behandlung in Heppenheim gesprochen werden, schloss Anwalt Heiming. "Der Arbeitsvertrag lag schon in seinem Briefkasten, von dort verschwand er. Das sind die wirklich dreisten Methoden."