FAZ, 07.09.2007

 

Der letzte radikale Lehrer

 

A m Montag beginnt in Baden-Würt­temberg das neue Schuljahr, dem viele aufgeregt oder erwartungs­froh entgegenblicken. Einer davon: Micha­el Csaszkóczy, Realschullehrer aus Heidel­berg. Csaszkóczy wurde bekannt, weil das Land, genauer das Regierungspräsidium in Karlsruhe, ihn nach seinem Referendari­at nicht als Lehrer anstellen wollte, weil er der Antifaschistischen Initiative Heidel­berg (AIHD) angehört. Es gebe erhebli­che Zweifel an der Verfassungstreue des seit Jahren vom Verfassungsschutz beob­achteten Mannes, argumentierte man in den Gerichtsverfahren, die sich vier Jahre lang mit dem Fall beschäftigten.

Csaszkóczy habe sich zudem in einem „vertieften Einstellungsgespräch” vom Grundsatzpapier der AIHD nicht distan­zieren wollen. Darin wird unter anderem „Militanz” als legitimes Mittel „im Kampf um Befreiung” bezeichnet, außerdem kon­statiert, an den „herrschenden Unterdrü­ckungsverhältnissen” werde sich auf parla­mentarischem Weg „nichts Grundlegendes ändern”. Dass der angehende Lehrer für Deutsch, Geschichte und Kunst im Re­ferendariat keinen Anlass zu der Sorge ge­geben hatte, er indoktriniere die Schüler, sollte keine Rolle spielen.

Nun, nachdem das Land im Streit um das „Berufsverbot” vor Gericht endgültig unterlegen ist, hat das Regierungspräsidi­um eingelenkt. Im Urlaub erreichte den Siebenunddreißigjährigen vor wenigen Ta­gen die Nachricht, ihm sei eine Stelle in Eberbach nahe Heidelberg zugewiesen worden. Heute werde er den Vertrag unterzeichnen, der ihn vorerst zum Angestell­ten, demnächst aber, wenn Formalien erle­digt seien, zum Beamten mache, erklärte Csaszkóczy gegenüber dieser Zeitung. In den vergangenen Jahren hatte er sich mit Arbeitslosengeld II, zuletzt mit einem Pro­motionsstipendium der Hans-Böckler-Stif­tung (Projekt: „Jugendkulturen und Ge­schichtsbewusstsein”) durchgebracht.

Der wunde Punkt des Streits um den linksradikalen Lehrer ist einer, an den kei­ner rühren will: die Frage, warum über­haupt Lehrer Beamte sein müssen. Ist es wirklich sinnvoll, abstrakt zu klären, wel­che Thesen sich außerhalb des Unterrichts mit der als hoheitlich eingestuften Funkti­on eines Lehrers vertragen, anstatt den Einzelfall zu prüfen? Doch hinsichtlich des Beamtenstatus sind sich alle einig: Der Beamtenbund verteidigt ihn hartnäckig, das Land ebenfalls — Beamte sind ja eine der elegantesten Möglichkeiten der ver­deckten Schuldenaufnahme, da ihre Pen­sionen erst in späteren Jahren, Legisla­turperioden entfernt, aus dem Haushalt zu zahlen sind; und auch die Gewerk­schaft Erziehung und Wissenschaft wür­de der Umstellung auf Angestelltentari­fe nur zustimmen, wenn dies finanziell kei­ne Nachteile ergebe. Hieße: ein Bruttoge­halt von rund 60 000 Euro im Jahr für ei­nen beginnenden Realschullehrer. Man ahnt, warum selbst Michael Csaszkóczy sich auf seine künftige Nähe zum Staat freut.      TILMANN LAHME