Junge Welt, 09.08.2007

Bundesregierung beharrt auf Berufsverboten

Sogenannte Verfassungstreue bleibt Kriterium für Anstellung im öffentlichen Dienst

Von Julius Kaiser

Die Bundesregierung hält Berufsverbote für politisch unliebsame Bewerber im öffentlichen Dienst weiterhin für gerechtfertigt. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur gegenwärtigen und früheren Berufsverbotspraxis hervor.

Aufgrund des sogenannten Radikalenerlasses aus dem Jahr 1972 wurden bis 1991 gegen etwa 1100 Personen Berufsverbote ausgesprochen und 130 Personen aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Betroffen waren insbesondere Mitglieder kommunistischer Organisationen. Der europaweit einzigartige Erlaß wurde im In- und Ausland scharf kritisiert. Daher stellte der Bund im Jahr 1979 die Regelanfrage beim Verfassungsschutz auf Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst zugunsten von Bedarfsanfragen ein. Als letztes Bundesland verzichtete auch Bayern 1991 auf die Regelanfrage. Dafür gab es in den 90er Jahren neue Berufsverbote gegen ehemalige Funktionsträger der SED sowie von Massenorganisationen und Behörden der DDR.

1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) in Strasbourg im Falle einer wegen ihres Engagements in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) aus dem Schuldienst entlassenen Beamtin entschieden, daß der »Radikalenerlaß« gegen die Menschenrechte auf Meinungs- und Koalitionsfreiheit sowie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstoße.

Gesetzgeberische Konsequenzen aus dem Urteil lehnt die Bundesregierung bis heute ab. Die Entscheidung des EGMR betreffe lediglich einen konkreten Einzelfall. Zudem habe der Gerichtshof ausdrücklich anerkannt, daß Deutschland aufgrund seiner historischen Erfahrungen in der Weimarer Republik das Recht habe, von seinen Beamten Treue zu den Verfassungsgrundsätzen zu verlangen. Daher »besteht auch weiterhin keine Veranlassung, allgemeine Konsequenzen aus dem Urteil des EGMR vom 26. September 1995 im Fall Vogt zu ziehen«, heißt es in der am Mittwoch zugestellten Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linksfraktionsabgeordneten Ulla Jelpke. Das Urteil würde bei der Einzelfallprüfung beachtet.

Im Falle des Lehrers Michael Csaszkóczy, dem wegen seines Engagements in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg die Übernahme in den Schuldienst verweigert wurde, fand eine solche Einzelfallprüfung nicht statt. Deswegen entschied das Darmstädter Verwaltungsgericht am vergangenen Donnerstag, die Schulbehörde müsse die Bewerbung des Lehrers erneut überprüfen.