Junge Welt 24.2.04

Jana Frielinghaus

"Radikalenerlaß" reloaded

Heidelberg: Einem Lehrer wird die Einstellung verweigert wegen
Zweifeln an seiner Verfassungstreue In Baden-Württemberg ist offenbar
die Zeit stehengeblieben. Der Heidelberger Lehrer Michael Csaszkoczy
erhielt am 15. Dezember 2003 ein Schreiben des Oberschulamtes Karlsruhe,
in dem ihm mitgeteilt wurde, das Stuttgarter Innenministerium habe gegen
seine Einstellung als Realschullehrer zum neuen Schuljahr Einspruch
erhoben. Es bestünden Zweifel daran, ob er jederzeit bereit sei, "für
die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten". Die Zweifel
hätten sich aus Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (VS)
ergeben, die zehn Jahre lang gesammelt worden seien.

Csaszkoczy ist seit 1989 politisch aktiv, engagiert sich in der
Antikriegsbewegung und in antifaschistischen Gruppen. Auf eine Stelle
als Realschullehrer im Schulamtsbezirk Heidelberg wartet der 33jährige
schon eineinhalb Jahre. Nach dem ersten Staatsexamen wurde Csaszkoczy
zunächst problemlos ins Beamtenverhältnis auf Widerruf übernommen und
absolvierte sein Referendariat.

Jetzt wartet er auf einen Termin für eine Anhörung, bei der er noch
einmal zu seinen politischen Aktivitäten und Mitgliedschaften in linken
Organisationen befragt werden soll. Ein klassisches
Berufsverbotsverfahren also, wie in der Zeit nach Inkrafttreten des
sogenannten Radikalenerlasses im Jahre 1972. Dabei hat der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte bereits im Jahr 1995 die Praxis der
Berufsverbote gegen Lehrer und andere Beamte im öffentlichen Dienst der
Bundesrepublik als mit den Artikeln 10 und 11 der Europäischen
Menschenrechtskonvention unvereinbar gerügt. Dennoch sind die
Vorschriften des Radikalenerlasses in einigen Bundesländern bis heute
Teil des geltenden Rechts. Die früher übliche "Regelanfrage" beim VS ist
indes auch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen.

Das "vertiefte Einstellungsgespräch", zu dem Csaszkoczy geladen wurde,
sollte ursprünglich schon am 23. Dezember 2003 stattfinden, wurde jedoch
wegen angeblicher neuer Erkenntnisse des VS inzwischen mehrfach
verschoben. Bis heute habe er keinen neuen Termin für das "Verh&oumo;r", so
Csaszkoczy am Montag gegenüber jW. Diese Woche soll sein Anwalt
zumindest Einsicht in eine VS-Akte bekommen, die dem zuständigen
Regierungsdirektor bereits seit Sommer 2003 vorliegt, ohne daß
Csaszkoczy darüber wie gesetzlich vorgeschrieben informiert worden wäre.

Das "Verfahren" gegen ihn hat zur Folge, daß Csaszkoczy eine freie
Stelle nicht antreten konnte, die laut Oberschulamt eigentlich ab dem 1.
Februar für ihn vorgesehen war.