junge Welt vom 25.11.2004


Berufsverbot »zum Schutz der Schüler«

Konferenz in Hamburg solidarisierte sich mit dem Lehrer Michael Csaszkóczy aus Heidelberg

Horst Bethge


»Man denkt, so etwas gibt es heute nicht mehr, das war einmal vor langen Jahren«, gab Britta Eder von der Roten Hilfe das Empfinden vieler junger Teilnehmer wieder, die sich am vergangenen Montag im Hamburger Haus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) versammelt hatten. Gemeint waren Berufsverbote und vor allem der aktuelle Fall des Heidelberger Lehrers Michael Csaszkóczy. Zu diesem Thema hatten die GEW Hamburg, die Initiative »Weg mit den Berufsverboten« und die Rote Hilfe eingeladen.

»Solidarität gehört für die GEW ebenso wie der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und Tarife zum Kerngeschäft einer Gewerkschaft«, sagte Ilona Wilhelm, zweite Vorsitzende der GEW, in ihrem einleitenden Statement. Und weiter: »Wir fordern Annette Schavan auf, das Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy zurückzunehmen.« Der Heidelberger Realschullehrer wurde nach seinem Referendariat trotz Note 1,8 nicht eingestellt. Im einem »vertieften Einstellungsgespräch« wurde ihm vorgehalten, Mitglied in der »Antifa-Ini-Heidelberg« und Anmelder von Friedens- und Antifademonstrationen zu sein. Zudem habe er eine Broschüre über eine Widerstandsgruppe im Faschismus geschrieben und sich darin für »basisdemokratische Verhältnisse« und »Militanz als ein legitimes Mittel der Befreiung« ausgesprochen. Vorgeworfen wurde ihm auch, sich schützend vor ein Flüchtlingsheim gestellt und an einem Versuch, einen Naziaufmarsch zu verhindern, beteiligt zu haben. Für solche »Erkenntnisse« war Csaszkóczy zwölf Jahre lang vom Verfassungsschutz bespitzelt worden.

Annette Schavan, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Kultusministerin in Baden-Württemberg, die das Berufsverbot gegen Csaszkóczy schließlich verhängt hatte, kam auf der Konferenz in einem Fernsehbeitrag zu Wort. Sie rechtfertigte ihre Handlung damit, »Schüler zu schützen«.

Ein Rückblick auf die Erfahrungen der Anti-Berufsverbote-Bewegung der letzten 30 Jahre ergab: Von den 11000 offiziellen Verfahren der alten Bundesrepublik, den 256 Entlassungen und 2200 Disziplinarverfahren sind rund 80 Prozent der Fälle letztlich positiv ausgegangen, weil die Betroffenen sich auf breite Solidarität im In- und Ausland stützen konnten. Dabei wirkten eine Kombination von juristischem Widerspruch und politischen Forderungen sowie ein langer Atem – einige Verfahren endeten erst nach 19 bzw. 22 Jahren mit positivem Ergebnis. Eine denkbar breite Protestbewegung hatte sogar die Urheber der Berufsverbotepraxis zum Einlenken bewogen: Willy Brandt, 1972 einer der Väter des sogenannten »Extremistenerlasses«, bezeichnete die Berufsverbote später als »Irrtum«. Professor Norman Paech wies bei der Konferenz am Montag darauf hin, daß es auch unterhalb der Berufsverbote, die die Spitze des Eisbergs an Maßnahmen bildeten, repressive Instrumente gebe: Zum Beispiel der Entzug von Prüfungsbefugnissen und Vertrauensdozenturen sowie organisierter Rufmord. In der Diskussion wurde ergänzt: »Hier wird eine soziale Protestgruppe bespitzelt, dort bleiben arabischsprachige Beschäftigte in der Rasterfahndung hängen, und anderswo werden Plaketten- oder Kopftuchträgerinnen traktiert«. In NRW und Sachsen seien zudem Lehrer, die den US-Krieg im Irak kritisiert hatten, versetzt worden. Das Ziel sei überall das gleiche: »Einschüchterung und Abhalten von politischem Engagement«.

Die Antwort könne nur die massenhafte und konsequente Wahrnehmung demokratischer Rechte, Friedens-, Antifa- und Gewerkschaftsarbeit sein.