Kreisinfo GEW Rhein-Neckar/Heidelberg, Februar 2006


Berufsverbot nun auch in Hessen


Das Bundesland Hessen schloss sich im September 2005 der von Baden-Württemberg initiierten Wiederbelebung der Berufsverbote an und verweigert einem Heidelberger Realschullehrer aus politischen Gründen eine bereits zugesagte Stelle in Hessen. Michael Csaszkóczy hatte sich auf die Ausschreibung einer Stelle an der Martin-Buber-Schule in Heppenheim beworben und war als qualifiziertester Bewerber ausgewählt worden. Eine schriftliche Einstellungszusage des zuständigen Staatlichen Schulamtes hatte er bereits in der Tasche. Wenige Minuten vor der ersten Lehrerkonferenz erhielt der Schulleiter jedoch einen Anruf vom Schulamt und wurde angewiesen, Csaszkóczys Arbeitsvertrag nicht zu unterschreiben. Trotz Protesten von Seiten des Schulleiters und des zuständigen Personalrats beharrte das Schulamt auf seiner Position und berief sich auf eine kurzfristige Intervention des Innenministeriums in Wiesbaden.


Ulrike Noll sprach mit dem Schulleiter Peter Kühn über den Berufsverbotsfall an seiner Schule.


NOLL: Wie ist der Stand des Verfahrens in Hessen bzw. an Ihrer Schule?

KÜHN: Fragen Sie mich etwas Leichteres. Ich kenne keinerlei Stand der Dinge. Die Schule erhielt nach dem Telefonanruf an dem Konferenztag in den Ferien, in dem die Aushändigung des Vertrages untersagt wurde, und dem anschließend von mir zusammen mit dem Personalrat gesuchten Gespräch im Schulamt keinerlei Informationen zum laufenden Verfahren. Es gab lediglich zwei Telefongespräche, die vom Kultusministerium veranlasst wurden und in denen meine Schulaufsichtsbeamtin nachfragen sollte, inwieweit ich über die Vorgeschichte von Herrn Csaszkóczy Bescheid gewusst habe. Ich habe mitgeteilt, dass mir das Berufsverbot in Baden-Württemberg bekannt gewesen sei (schließlich hatte ich als Delegierter des GEW-Gewerkschaftstages in Erfurt entsprechend abgestimmt). Auf die Frage, ob ich das Ausmaß der Situation vorher richtig erkannt hätte, antwortete ich, dass ich mit solchen Folgen natürlich nicht gerechnet habe, da eine Regelanfrage ja wohl abgeschafft sei. Ich erhielt dann vom Schulamt die Protokolle der Landtagsanfrage in Baden- ürttemberg zugesandt. Natürlich halte ich die darin geschilderten "Tatsachen" für teilweise nicht amüsant und politisch habe ich mit der ein oder anderen dort geäußerten Auffassung nun wahrlich nichts am Hut. Aber was bitte hat davon Herr Csaszkóczy geäußert oder zu verantworten?


NOLL: Wie lauten die offiziellen Begründungen für die Nichteinstellung Michael Csaszkóczys in den Schuldienst? Wie bewerten Sie diese?

KÜHN: Eine offizielle Begründung kenne ich nicht. Die Nichteinstellung erfolgte auf telefonische Weisung und ich hatte ihr nachzukommen. Die Frage ist selbstverständlich, ob dem Staatlichen Schulamt inzwischen schriftliche Begründungen vorliegen. Das Landtagsprotokoll mit der Anfrage der SPD und den Antworten von Frau Schavan dürfte hier natürlich nicht ausreichend sein. Ich gehe aber davon aus, dass Herr Csaszkóczys Anwalt genau diese eingefordert hat und wahrscheinlich auch erhalten hat.....


NOLL: Gibt es eine Stellungnahme vom Personalrat?

KÜHN: Der Schulpersonalrat und der Gesamtpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer für den Kreis Bergstraße und den Odenwaldkreis haben einstimmig die Einstellung von Herrn Csaszkóczy gefordert.


NOLL: Wie ist das Berufsverbot vom Kollegium der Martin-Buber-Schule aufgenommen worden?

KÜHN: Da dies zehn Minuten vor der Konferenz verkündet wurde, führte das schon zu einem Erschrecken. Viele Kollegen haben sich solidarisiert, einige auch die 1000-Unterschriften-Aktion unterschrieben. Sicher gibt es auch vorsichtige Kolleg/innen, die sich sagen, "Na irgendwas muss doch dran sein" und auch das ist ihnen zunächst nicht zu verdenken. Für die jüngeren Lehrkräfte, die die große Zeit der Gesinnungsschnüffelei in den 70-ern und 80-ern nicht kennen, war das ja eine vollkommen unbekannte Erfahrung.


NOLL: Welche Konsequenzen hat das Berufsverbot für Ihre Schule?

KÜHN: Zunächst ist die Konsequenz, dass eine zugesagte Planstelle nicht besetzt wurde und (vorübergehend?) weggefallen ist. Wir haben relativ zügig eine Vertretungskraft zur Abdeckung des Unterrichts erhalten. Für die Schulleitung, insbesondere unsere Konrektorin, bedeutete dies einen riesengroßen Stress. Es musste innerhalb von zwei Wochen der dritte Stundenplan gemacht werden. Wir hatten schon kurz zuvor die Situation, dass eine Kollegin mit einem Vertretungsvertrag (ohne echten Vertretungsgrund, d.h. zur Abdeckung des Unterrichts) eine Planstelle in Baden-Württemberg angetreten und bei uns abgesagt hat, was ich ihr überhaupt nicht verdenken kann. Bei allen Dingen, die sonst noch zu Schuljahresbeginn anfallen, war es eine große Belastung. Ich möchte an dieser Stelle klar zum Ausdruck bringen: Herr Csaszkóczy hat ein einwandfreies Führungszeugnis. Er hat sehr gute Beurteilungen aus seinem Referendariat und auch von anderen Arbeitgebern vorgelegt. Herr Csaszkóczy wäre auch bei uns nicht gleich Lebenszeit-Beamter geworden, sondern hätte sich die üblichen eineinhalb bis zwei Jahre im Beamtenverhältnis auf Probe bewähren müssen. Als Lehrkraft ist man sozusagen immer unter Beobachtung der Schüler/innen, der Eltern, des Kollegiums und auch der Schulleitung. Und ich bringe klar zum Ausdruck, dass bei uns keinerlei Indoktrination geduldet würde, weil unser Schulkonzept der philosophischen Gedankenwelt Martin Bubers verpflichtet ist und der Dialog bei uns ganz oben steht. Ich bin persönlich aber überzeugt, dass Herr Csaszkóczy gar nicht den Versuch von Indoktrination und Manipulation gemacht hätte. Dieser Fall entlarvt aber auch die Rhetorik der von der Landesregierung propagierten "Selbständigen Schule", denn mit (Teil-)Autonomie hat die Weisung, den im Verfahren besten Bewerber nicht einzustellen, nichts zu tun.


NOLL: Wie erleben Sie den Umgang des Ministeriums/ der Schulbehörde mit Ihrer Schule?

KÜHN: Aus systemischer Sicht habe ich dem Schulamt sicher Ärger und Mühen verursacht. Dass dies nicht mein Ziel war, wissen sicher auch die Schulamtsdirektor/innen, mit denen ich in vertrauensvoller Weise immer zusammengearbeitet habe. Mit dem möglicherweise entstandenen Misstrauen mir oder der Schule gegenüber muss und kann ich auch leben. Die Presseberichterstattung über den Fall Csaszkóczy, der möglicherweise eher ein Fall Rechtsstaatlichkeit ist, war überwiegend fair, aber nicht immer und überall. Dies wird dem guten Ruf unserer Schule vielleicht bei dem einen oder der anderen abträglich gewesen sein. Trotz dieser Gesichtspunkte halte ich die Verteidigung demokratischer Rechte für das höherrangige Gut.


NOLL: Sie haben selbst die Ära der Berufsverbote erlebt. Wo sehen Sie Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten zu dem Fall des Kollegen Michael Csaszkóczy?

KÜHN: Ja, ich habe diese Zeit erlebt und mich damals als Liedermacher nachhaltig dagegen engagiert, gleich ob es sich um die Mitgliedschaft in DKP oder KBW gehandelt hat oder jemand Anhörungsgespräche über sich ergehen lassen musste, weil sein Auto vor dem falschen Versammlungsort geparkt war. Ich bin sehr überzeugt, dass die damalige Hysterie in Zeiten des kalten Krieges bewusst befördert wurde, um Menschen vom politischen Engagement abzuhalten und sie politisch einzuschüchtern. Bemerkenswert ist doch, dass Berufsverbote in dieser Form in anderen Ländern Europas unbekannt waren und sind, ohne dass aus diesen Staaten "Schurkenstaaten" geworden sind. Für sehr bedenklich halte ich es, wenn Menschen in ihrem antifaschistischen Engagement, das sie im Rahmen unserer grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit zeigen, behindert werden und Nachteile erleiden müssen.


Ulrike Noll

Örtlicher Personalrat Rhein-Neckar-Kreis

GEW-Kreisvorsitzende


Peter Kühn

Schulleiter der Martin-Buber-Schule Heppenheim

GEW Landesvorstand Hessen


Weiter Informationen zum Berufsverbotsfall des Kollegen Michael

Csaszkóczy finden sich unter der Internetadresse: www.gegen-berufsverbote.de