ruprecht Nr. 92 vom 15.11.2004



Berufsverbot rechtskräftig



Heidelberger Referendar wird nicht verbeamtet



Nun ist es amtlich: Der Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy wird nicht in den Staatsdienst aufgenommen.


Damit wurde das erste Mal seit über zwanzig Jahren in Deutschland wieder ein Berufsverbot verhängt. Die Berufsverbote gehen auf den sogenannten "Radikalenerlass" aus den siebziger Jahren zurück, die letzten wurden Anfang der achtziger Jahre ausgesprochen. Nachdem der europäische Gerichtshof 1995 ein Berufsverbot als Verstoß gegen die Menschenrechte gewertet hatte, schien die Praxis endgültig überholt.


Die Entscheidung der Kultusministerin Annette Schavan (CDU), nun zu diesem politischen Maulkorb für Andersdenkende zu greifen, ist symbolisch aufgeladen: Es geht der ehrgeizigen Politikerin wohl mehr darum, ein Zeichen zu setzen, als die Bundesrepublik vor einem gefährlichen Umstürzler zu retten. Schavan, profilierteste Bildungspolitikerin ihrer Partei, mit Ambitionen zur Nachfolge von Ministerpräsident Erwin Teufel, vermittelt mit der Verhängung eines Berufsverbots, auf welche Weise sie mit politisch Andersdenkenden verfahren möchte. Entsprechend hat auch die landesweite Presse die Affäre gewertet: Die "ZEIT" sieht darin "kein gutes Vorzeichen für ein Land, das in nicht allzu ferner Zukunft von Konservativen regiert werden könnte".


Schavan kann sich nur auf eine äußerst dünne Faktenlage berufen. Sie begründete ihre Entscheidung zum Berufsverbot damit, dass die "Antifaschistische Initiative Heidelberg" (AIHD), in der sich Csaszkóczy engagiert, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei und Militanz befürworte. Csaszkóczy wurde überprüft, nachdem das Innenministerium dem Kultusministerium ein Dossier zugespielt hatte, das die Ergebnisse einer Bespitzelung des Heidelbergers von 1992 bis 2002 auflistet (ruprecht berichtete). Fachliche Mängel als Lehrer, die Verletzung seiner politischen Neutralitätspflicht als Referendar sowie strafbare oder gewalttätige Handlungen werden Csaszkóczy nicht vorgeworfen. Antworten der Ministerin auf Anfragen der Grünen-Abgeordneten Theresia Bauer im Baden-Württembergischen Landtag lauten wiederholt "es liegen keine Erkenntnisse vor" oder berufen sich auf den Radikalenerlass.


Ende Oktober protestierten in Heidelberg nach Polizeiangaben etwa 700 Menschen gegen das Wiederaufleben der Berufsverbots-praxis in Deutschland. Mehrere Organisationen hatten dazu aufgerufen, darunter auch Gewerkschaftsverbände und die Fraktion der Grünen im Gemeinderat. Eine weitere Demonstration in Stuttgart soll folgen.


"Dass Zweifel an der Stellung zum Staat Frau Schavan für ihre Entscheidung ausreichen, bedeutet, dass das Prinzip der Unschuldsvermutung umgedreht wird: Ich bin es, der beweisen muss, kein Staatsfeind zu sein", beschreibt Csaszkóczy seine Situation. Im Moment warte er auf den Bescheid des Kultusministeriums als übergeordnete Behörde, gegen den er dann Widerspruch einlegen kann - ein Schritt auf dem langen Weg durch die gerichtlichen Instanzen. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft unterstütze ihn mit Rechtsschutz. Csaszkóczy ist unfreiwillig zum hauptberuflich Berufsverbotenen geworden: Er werde auf Veranstaltungen in der ganzen Republik eingeladen, "aber ich könnte mir schönere Tätigkeiten vorstellen". Als Lehrer zu arbeiten, zum Beispiel.


(gan)