Schwäbisches Tagblatt, 20.03.2006


Ein engagierter Streiter gegen Rechts


Warum der Heidelberger Realschul-Lehrer Michael Csaszkóczy nicht in den Staatsdienst darf


TÜBINGEN (kai). Gern würde er in die Schule gehen. Doch anstatt Realschüler(inne)n in Deutsch, Geschichte und Kunst zu unterrichten, gibt Michael Csaszkóczy Interviews und tritt wie am Freitagabend im Tübinger Schlatterhaus in eigener Sache auf. Der Grund: Der Heidelberger hat Berufsverbot.


„. . . schon bist du ein Verfassungsfeind“ betitelte der Schriftsteller Peter Schneider sein Buch über einen Lehrer, der ins Visier des Verfassungsschutzes geriet. Das war vor 30 Jahren, drei Jahre nachdem unter SPD-Kanzler Willy Brandt der so genannte Radikalenerlass in Kraft trat. Der verhinderte auch im Kreis Tübingen, dass zahlreiche Lehrer ihren Beruf ausüben konnten. Der hartnäckigste von ihnen, der Tübinger TÜLL-Stadtrat Anton Brenner, brauchte ganze 25 Jahre, bis er endlich im September 2000 (wie berichtet) Balinger Berufsschüler unterrichten durfte. Auch Michael Csaszkóczy versteht sich als Linker - aber in einer anderen Tradition als der Ex-DKPler Brenner. Der 35-Jährige ist Mitglied in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD).


„Die Gruppe von zwei Dutzend Leute“, sagt er, „engagiert sich gegen Rechtsradikalismus, Ausländerfeindlichkeit und Krieg.“ Seit zwölf Jahren lassen Verfassungsschützer die Akte Csaszkóczy unaufhörlich anschwellen - und meldeten ihre Erkenntnisse dem Kultusministerium. Die Regelanfrage ist längst abgeschafft. Registriert sind, wie der Heidelberger in der TAGBLATT-Redaktion sagte, die Teilnahme an einer Antikriegsdemonstrationen. Oder dass er Mitautor einer Dokumentation über eine Widerstandsgruppe im Dritten Reich war. Weil „die Erkenntnisse alle von diesem Kaliber sind“, musste der Antifaschist bei der Lektüre „echt schlucken“. Ihn mutet es seltsam an, „dass man am Beobachteten, nicht aber an den Beobachtenden zweifelt“.


Als angeblicher Linksextremist hatte sich Csaszkóczy einer Gesinnungsprüfung im Oberschulamt Karlsruhe zu unterziehen. Dort wurde er aufgefordert, sich von einem Satz aus einer AIHD-Plattform zu distanzieren: „Militanz ist für uns ein legitimes Mittel im Kampf um Befreiung.“ Dazu war er nicht bereit: „Allein schon, weil das Menschen, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren, verhöhnenwürde.“ Für den Lehrer, der sein zweites Staatsexamen mit der Note 1,8 abschloss und ein Promotionsaufbaustudium in Pädagogik gemacht hat, kam in Baden-Württemberg Anfang 2004 das Aus. Im vergangenen Jahr verhinderte auch Hessen, dass er eingestellt wird - obwohl er eine Zusage für eine Schule in Heppenheim hatte.


„Ich muss damit rechnen, dass es für mich keine Perspektive mehr gibt“, sagt der verhinderte Lehrer, der von Arbeitslosengeld II lebt. Er will weiter für seine Einstellung in den Staatsdienst kämpfen. Am Freitag bekam er die schriftliche Begründung des Urteils vom Landgericht Karlsruhe. Das hatte am 13. März seine Klage abgewiesen und das Berufsverbot bestätigt. Zwar wurde ihm nichts strafrechtlich Relevantes vorgeworfen. Und es war gar die Rede vom „engagierten Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht“. Doch das änderte nichts am Urteil. Davon, sagt er, gehe ein Signal aus: „Gar nicht erst Kritik zu äußern und an Veränderungen zu denken.“


Zu „10 000 Stimmen gegen Berufsverbote“ fordert eine Kampagne für Michael Csaszkóczy auf. Die Lehrergewerkschaft GEW und Menschenrechtsgruppen unterstützen ihn. Auch der Tübinger EU-Abgeordnete Tobias Pflüger kritisiert in einer Pressemitteilung das Urteil aus Karlsruhe als „Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention“. Schon vor elf Jahren, erinnert der Abgeordnete, habe der Europäische Gerichtshof Berufsverbote „für menschenrechtswidrig erklärt“. INFO Ein Tübinger Bündnis von GEW über Attac bis zur Sozialistischen Jugend ruft dazu auf, am Samstag, 25. März, zur bundesweiten Demonstration gegen Berufsverbote nach Karlsruhe zu fahren. Treffpunkt ist um 9.30 Uhr in der Tübinger Bahnhofshalle. Dokumente zum Fall Michael Csaszkóczy gibt es im Intenet unter www.gegen-berufsverbote.de