taz Nr. 7303 vom 8.3.2004

Erinnerung an Berufsverbote in Karlsruhe

Oberschulamt blockiert die Einstellung eines Lehrers - wegen Zweifel
an seiner Verfassungstreue. Das Indiz:
Eine Rede bei einer Gedenkveranstaltung für Nazi-Opfer, in der der
Bewerber Kritik am Kapitalismus geübt hatte
FRANKURT/MAIN taz Michael Csaszkoczy trägt auf dem Kopf eine
dunkelrote Samtkappe mit blitzenden, runden Spiegelchen und goldenen
Tressen. Die bedeckt den gelichteten, blonden Haarflaum, im Nacken
ringeln sich fünf bis sechs dunkelbraune Dreadlocks. Das linke Ohr
ist mit 17 Ohrringen bestückt, im rechten baumelt ein silbernes
Stacheldrahtröllchen, dazu Lederjacke, schwarze Weste, Turnschuhe.
Csaszkoczy fällt auf, aber in diesem Jahr nicht so sehr, meint er,
denn "im Sommer laufe ich schon mal im Schottenrock durch die
Stadt". Er nennt sich selbst einen Kommunisten, mit Parteien aber,
sagt er, habe er "nichts am Hut". Der Mann möchte Beamter werden im
staatlichen Schuldienst in Baden-Württemberg. Ein Kopftuch trägt er
nicht - vielmehr könnte seine Gesinnung seine Übernahme in den
Staatsdienst verhindern.
Der Pädagoge Csaszkoczy, der in Heidelberg sein Referendariat an
einer Haupt- und Realschule absolviert hat, bewarb sich dort im
Sommer 2002 auf eine Lehrerstelle. Im Dezember 2003 teilte ihm das
Karlsruher Oberschulamt mit, dass seine Einstellung, eigentlich für
den 1. Februar 2004 vorgesehen, ein "vertieftes
Einstellungsgespräch" erfordere. Vom Kultusministerium seien Zweifel
an seiner Verfassungstreue angemeldet worden. Er müsse sich am 23.
Dezember einfinden und Rechenschaft über von 1992 bis 2002
gesammelte Daten und seine mögliche Mitgliedschaft in Parteien oder
Gruppierungen "mit verfassungsfeindlichen Zielen" ablegen. Der
Termin wurde verschoben, der vorgesehene Einstellungstermin ist
verstrichen.
In der Vergangenheit hatte Csaszkoczy für den Erhalt eines autonomen
Zentrums und gegen Nazis demonstriert. Er führt regelmäßig
Jugendliche durch die Stadt und zeigt ihnen die Heidelberger
Geschichte während des Faschismus, schreibt Artikel gegen
Abschiebungen und Krieg und lebte einige Jahre in einem inzwischen
geräumten Wagendorf.
Der Kreisverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
solidarisierte sich im Februar mit dem verhinderten Lehrer und
erinnerte an die Berufsverbotspraxis der 70er-Jahre. Damals wurden
vor allem in der DKP organisierte Kommunisten und andere Linke
reihenweise für den Staatsdienst gesperrt: Lehrer, Postbeamte,
Straßenbahnfahrer. 14.000 Personen wurden überprüft, 1.200 abgelehnt
und 260 entlassen. Seit 1979 wurde der so genannte Radikalenerlass
nicht mehr angewendet, in einigen Bundesländern wieder aufgehoben.
Regelanfragen beim Verfassungsschutz und Begriffe wie
Gesinnungsprüfung und Berufsverbot verschwanden in der Mottenkiste
der Geschichte. Die GEW erzielte 1995 einen späten Erfolg beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser erklärte die
Berufsverbotspraxis füür menschenrechtswidrig. Sie verletze die
Grundrechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit.
Csaszkoczy weiß, dass er oft genug Beobachtungsobjekt des
Verfassungsschutzes geworden ist. Er habe es mit einer Rede sogar
schon mal auf dessen Homepage gebracht. Während einer
Gedenkveranstaltung für die Opfer des Faschismus hatte er
Kapitalismuskritik geübt. Der Verfassungsschutz wertete diesen
Beitrag als "Forderung nach Beseitigung unserer
Gesellschaftsordnung". Csaszkoczy hält das für eine
Begriffsverwirrung des Dienstes. Die Kritik am Kapitalismus, einem
Wirtschaftssystem, sei keine an der Demokratie als verfasster
Gesellschaftsordnung. Etliche Ermittlungsverfahren gegen ihn, "die
habe ich aufgehört zu zählen", sind eingestellt worden. Er nutze die
demokratisch abgesicherte Freiheit für seine Proteste. Sein
polizeiliches Führungszeugnis, so Csaszkoczy, sei "blütenweiß". Bei
eigenständiger Weltsicht habe er zwar nicht "den missionarischen
Eifer, meine Verfassungstreue ständig unter Beweis zu stellen", aber
mit dem Staat als solchem eigentlich "kein Problem".
Konrad Weber, Pressesprecher des Oberschulamtes Karlsruhe,
versicherte inzwischen, dass ein Gespräch mit dem Kandidaten
irgendwann in der Zukunft stattfinden werde, eines, wie es "in jedem
anderen Unternehmen auch" mit jedem Bewerber geführt werde. "Die
Weltanschauung wird nicht abgefragt." Aber "auf dem Boden der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung" müsse Csaszkoczy schon
stehen. Der wartet weiter: "Ich fühle mich wie in einer
Zeitschleife." " HEIDE PLATEN

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