Tagesspiegel, 14.3.07

Berufsverbot für linken Lehrer aufgehoben

Ein Gericht hat das bundesweit einzige Berufsverbot gegen einen linken Lehramtsbewerber aufgehoben. Der 36-Jährige war wegen seiner Mitgliedschaft in einer antifaschistischen Gruppe nicht eingestellt worden.

Mannheim/Stuttgart - Das Berufsverbot für einen Lehramtsbewerber aus Heidelberg ist rechtswidrig zustande gekommen. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschied in Mannheim, dass das Oberschulamt Karlsruhe dem Lehrer "zu Unrecht" die Einstellung in den Schuldienst verweigert habe. Die Behörde hatte ihr Vorgehen mit Zweifeln an der Verfassungstreue des Pädagogen begründet. Der VGH verpflichtete das Land Baden-Württemberg, erneut über den Einstellungsantrag zu entscheiden. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.
Das baden-württembergische Kultusministerium reagierte zurückhaltend. Man werde erst "auf der Basis der schriftlichen Urteilsbegründung über das weitere Vorgehen" entscheiden, teilte das Ministerium in Stuttgart mit. Zu klären sei insbesondere, ob eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt werde.

"Antifaschistische Initiative" als linksextrem eingestuft

Der Lehramtsanwärter hatte sich im Sommer 2002 in Heidelberg als Realschullehrer beworben. Das Oberschulamt Karlsruhe lehnte seine Einstellung ab, weil er Mitglied der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" (AIHD) ist, die vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft wird. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte in erster Instanz im März 2006 das Berufsverbot bestätigt. Mit dem jetzigen VGH-Urteil im Berufungsverfahren konnte der Lehramtsbewerber einen Teilerfolg erzielen. Zwar liegen nach Auffassung der VGH-Richter die rechtlichen Voraussetzungen nicht vor, das Land zur Einstellung des Klägers zu verpflichten. Über seinen Antrag müsse aber "unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts" neu entschieden werden.

"Radikalenerlass gehört in die Mottenkiste"

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte die Landesregierung auf, den Mann "sofort" einzustellen. Damit könne Baden-Württemberg einen Schlussstrich unter den "Rückfall in eine unrühmliche Politik der 70er Jahre ziehen", sagte der baden-württembergische GEW- Landesvorsitzende Rainer Dahlem. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Theresia Bauer, betonte: "Der Radikalenerlass gehört in die Mottenkiste und nicht ins 21. Jahrhundert." Der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, nannte das Urteil "eine schallende Ohrfeige für die baden-württembergische Kultusbürokratie und das Verwaltungsgericht Karlsruhe".

"Sündenliste" rechtfertigt nicht Zweifel an Verfassungstreue

Dem VGH-Urteil zufolge hat das Oberschulamt wesentliche Punkte bei der Beurteilung des Bewerbers - etwa sein Verhalten im Vorbereitungsdienst - nicht hinreichend berücksichtigt. Die Behörde sei den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person nicht gerecht geworden. Eine dem Bewerber vorgehaltene "Sündenliste" sei nicht geeignet, die Annahme einer mangelnden Verfassungstreue zu rechtfertigen.
In der Auseinandersetzung geht es um das derzeit bundesweit einzige Berufsverbot für einen Lehrer. Nach den baden-württembergischen Behörden hatte auch die hessische Schulverwaltung im September 2005 dem Heidelberger eine Anstellung verwehrt.

(Von Tanja Wolter und Norbert Demuth, ddp)