03. September 2004



'Internationale Liga für Menschenrechte' verurteilt Berufsverbotsfall in Baden-Württemberg



Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner: "Die Nichteinstellung des Heidelberger Realschullehrers ist ein unverhältnismäßiger Vorgang und verstößt gegen verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte"

Wer glaubte, in der Bundesrepublik gehörten Berufsverbote aus politischen Gründen der Vergan-genheit an, wird mit dem neuesten Vorfall in Baden-Württemberg eines Besseren belehrt. Dem Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy ist Ende August von der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU) die Einstellung in den Staatsdienst verweigert worden. Begründet wird die Entscheidung damit, dass sich der Lehrer in der Antifaschistischen Ini-tiative Heidelberg engagiere, die gegen fremdenfeindliche und neonazistische Bestrebungen aktiv ist. Diese legale Initiative sei linksextremistisch und befürworte Militanz, so der baden-württembergische Verfassungsschutz, der Csaszkóczy schon seit mehr als einem Jahrzehnt überwacht.

Aus seinen antifaschistischen Aktivitäten in jener Initiative leitet das Kultusministerium Zweifel an der Verfassungstreue des Lehramtsanwärters ab. Wer Mitglied einer "extremistischen Vereinigung" sei, könne nicht Lehrer an einer öffentlichen Schule werden. Der Betroffene habe sich nicht von der Initiative distanziert; ihm werden jedoch persönlich keine gesetzwidrigen Aktivitäten vorgeworfen.

"Mit diesem verfassungsschädlichen Berufsverbot wird ein engagierter Antifaschist aus Ge-sinnungsgründen vom Schuldienst ferngehalten, dem persönlich kein Fehlverhalten vorzu-werfen und der für den Lehrerberuf bestens qualifiziert ist", stellt Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner fest: "Das ist ein Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Berufsfreiheit." Diese politisch motivierte und diskriminierende Entscheidung basiere auf den zweifelhaften Erkenntnissen und Bewertungen des "Verfassungsschutzes", dessen geheim-dienstliches Wirken im Zusammenhang mit der berüchtigten Berufsverbote-Praxis der 70er und 80er Jahre das politisch-kulturelle Klima der damaligen Bundesrepublik vergiftete.

Die Bundesrepublik Deutschland ist schon einmal für die Verhängung eines Berufsverbotes vom In-ternationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden - wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte. Auch der neueste Fall gehört vor Gericht. Doch um eine solch langwierige Prozedur zu vermeiden, fordert die Internationale Liga für Menschenrechte die Kultusministerin auf, ihre Entscheidung zu revidieren und Michael Csaszkóczy umgehend als Lehrer im Angestelltenverhältnis einzustellen. Liga-Präsident Gössner: "Solchen Anfängen einer neuen Berufsverbotepolitik muss schnellstmöglich Einhalt geboten werden, damit nicht weitere Lebensperspektiven und Berufskarrieren zerstört werden."



Die "Internationale Liga für Menschenrechte" ist eine Sektion der Fédération Internationale des Ligues de Droits de l' Homme, akkreditiert bei UNO, Europarat und UNESCO



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