Rede des AntifaschistischenAktionsbündnisses Baden-Württemberg

Demonstration gegen Berufsverbote, Mannheim, 27.01.2007


Seit inzwischen mehr als 14 Jahren wird Michael Csaszkóczy vom Verfassungsschutz, dem Inlandsgeheimdienst der BRD, überwacht. Ausschlaggebend für das Berufsverbot in Baden-Württemberg und Hessen, das der Verfassungsschutz initiierte, war seine Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD). Von dieser Gruppe, die seit 1999 existiert, will er sich auch weiterhin nicht distanzieren.

Das Berufsverbot bewegt sich als Repressionsform in vielerlei Hinsicht abseits der gewohnten Bahnen, indem es auf die üblichen Methoden etwa der Strafverfolgung verzichtet. Hier sind vielmehr weder konkrete Tatvorwürfe gegen die betroffene Person noch Beweise oder ein Schuldnachweis notwendig, und die Entscheidungen werden von Institutionen getroffen, die ansonsten nicht mit der Verfolgung politischer GegnerInnen befasst sind – etwa vom Kultusministerium. Zudem richtet sich die Maßnahme gegen einen anderen Lebensbereich, indem die Einzelperson, die stellvertretend für alle anderen Linken herausgegriffen wird, konkret in ihrer Existenzgrundlage bedroht wird.


Aber existenzbedrohende Folgen hat solch ein Berufsverbotsverfahren nicht nur für den direkt davon Betroffenen, sondern selbstverständlich auch für die politische Gruppe, in der er seit längerem aktiv ist. Über sie bricht quasi über Nacht von außen ein staatlich gelenkter Angriff ein, mit dem sie nun umzugehen hat.

Bei anderen rein politischen Prozessen wie Paragraf 129a-Angriffen sind ganze politische Kollektive betroffen. Deshalb müssen sich hier mehrere Menschen, die nach Ansicht des Staates den in Beschuss genommenen Zusammenhang bilden, zusammensetzen und gemeinsam eine Antirepressions-Strategie erarbeiten.

In einem Berufsverbotsfall hingegen wird - wie im Falle Michaels - ein Einzelner aus dem Gruppenzusammenhang herausdestilliert. An ihm wird dann die Unverträglichkeit seiner angeblichen Weltanschauung mit der Ausübung seines Berufes nachgewiesen, der nun einmal im staatlich monopolisierten Bildungssektor angesiedelt ist. Als Folge wird er dann ausschließlich auf Grund seiner persönlichen politischen Gesinnung nicht zugelassen. Damit trifft ihn die Repressionsmaßnahme als isolierte Einzelperson in einem privat wirkenden Bereich.


Und was bedeutet das für die außerparlamentarische Linke?

Die Solidarisierungsfähigkeit der linken Szene wird dabei permanent über Jahre hinweg auf eine harte Probe gestellt: So muss sich der Kampf gegen staatliche Repression zwangsläufig an der Einhaltung aktueller bürgerlicher Grund- und Menschenrechte orientieren und sich mit den staatlichen Verfassungsrichtlinien auseinandersetzen. Im Berufsverbotsfall präsentiert sich der bürgerliche Staat erwartungsgemäß als Agentur kapitalistischer Formierung, die sich nach der Entlarvung vermeintlich staatszersetzender oder -gefährdender „Elemente“ vor diesen zu schützen vermag.

Und über den juristischen Weg kann dieser Staat nur dann „geknackt“ werden, wenn ihm und seinem Institutionenensemble plausibel nachgewiesen werden kann, dass er sich in seiner Existenz nicht bedroht fühlen muss, wenn es mal ein überzeugter Linker in den staatlichen Bildungssektor schafft. Das aber wiederum greift der außerparlamentarischen Linken, in der sich der Betroffene politisch bewegt, zu kurz: sich nur darum zu bemühen, dass ein Mensch jenen Beruf ergreifen kann, den er sich nun einmal ausgesucht hat. Ihr ist fundamentale Kritik an den herrschenden, bürgerlich-kapitalistischen Verhältnissen wichtiger, als irgendjemanden in genau diese Verhältnisse hineinzuhieven.


Dennoch ist es für eine solidarische Linke, also für alle, die zur heutigen Demonstration gekommen sind, von zentraler Bedeutung, den Kampf gegen das Berufsverbot nicht als Bemühen um einen einzelnen Arbeitsplatz zu betrachten, sondern als das, was er wirklich ist: als Kampf gegen eine bestimmte Form staatlicher Repression, die Linke aus zentralen Bereichen des öffentlichen Lebens fernhalten will.

Linke, die dem Staat möglicherweise gefährlich werden könnten. Gefährdet wird die herrschende Ordnung in der BRD nämlich nicht von individualisierten Menschen, die nur noch als konkurrierende WarenbesitzerInnen und PrivateigentümerInnen erscheinen; nicht von Menschen, die unabhängig von ökonomischen, sozialen und kulturellen Zusammenhängen bestimmt und organisiert werden.

Gefährdet wird das System kapitalistischer Vergesellschaftung von Menschen, denen die Notwendigkeit zu emanzipatorischem, also ungleichheitsüberwindendem Engagement bewusst geworden ist und die mit dieser Bewusstwerdung versuchen, breitere Kreise zu erreichen. Menschen, die wie Micha versuchen, der staatlichen Einflussnahme entgegenzuarbeiten, die möglichst vor der Herausbildung eines kritischen Bewusstseins greifen soll.


Zwar verliert das staatliche Institutionenensemble auf vielen gesellschaftlichen Bereichen an Einfluss, aber eigentlich nur dort, wo es davon ausgehen kann, dass die kapitalistische Verwertungslogik auch weiterhin in funktionalen Bahnen verläuft. Die Schule scheint jedenfalls nicht zu jenen Bereichen zu gehören, die der staatlichen Kontrolle entzogen werden könnten. Hier sollen ja die jüngeren Mitglieder der „deutschen“ Gesellschaft zu staatskonformen, leistungsstarken, mobilen, flexiblen und karrieristischen StaatsbürgerInnen, die keinen Widerstand leisten, herangeklont werden. Deshalb sollen LehrerInnen kein außerparlamentarisches oder nichtstaatliches antifaschistisches Engagement an den Tag legen - schließlich müssen sie als LehrerInnen in ihrer Rolle als FormerInnen staatshörigen Nachwuchses aufgehen.


Damit wird das Verwaltungsgericht dann durch seine Bestätigung der Entscheidung, jemandem aus politischen Gründen ein Berufsverbot auszusprechen, zum Vollstrecker einer Gesinnungsjustiz, bei der das immerwährende Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung das BeamtInnentum umfassend entpolitisieren soll. Und das schreckt dann auch wiederum andere Menschen aus der Linken ab, die LehrerInnen werden wollen; schließlich müssten sie aus diesem Grunde alle Handlungen vermeiden, die sie in die Nähe der damit etikettierten Gruppierungen bringen könnten. Die Schere im Kopf setzt an, lange bevor politisches Bewusstsein entstehen oder gar die Entscheidung zu politischem Handeln fallen kann. Indem jegliche Systemkritik außerhalb des gesellschaftlich Denkbaren angesiedelt wird, beginnt die ideologische Zurichtung weit vor dem Moment, an dem sie überhaupt als staatliches Handeln begriffen wird. Damit erweitert der Staat zunehmend seine repressionstechnischen Zugriffsmöglichkeiten. Er kommt an Bereiche heran, die ihm vorher verwehrt waren. Und zum Schluss will er dann nicht nur wissen, mit wem die Menschen, die bei ihm angestellt werden, verkehren, was sie mit ihrem Geld machen, welche kosten- beziehungsweise leistungseinschränkenden Krankheiten sie haben, sondern auch, was in ihren Köpfen vor sich geht, also welcher Gesinnung sie sind.


Wir alle zusammen müssen solch hohen politischen Druck aufbauen, dass die Behörden wieder davon abkommen müssen, einem Linken, einem Antifaschisten den Gang in den Schuldienst zu verweigern. Wir alle zusammen!


Für die Abschaffung der Geheimdienste!

Für die Einstellung und Rehabilitierung Michael Csaszkóczys und die Abschaffung der gesetzlichen Grundlagen der Berufsverbote!