Rede auf der Kundgebung gegen Berufsverbote

25. März 2006 in Karlsruhe





Liebe Kolleginnen und Kollegen,


obwohl dem Kollegen Csaszkóczy kein Fehlverhalten vorgeworfen wird, obwohl ihm Friedfertigkeit und Zivilcourage attestiert wurde, hat das Verwaltungsgericht das Berufsverbot des baden-württembergischen Kultusministeriums bestätigt. In dem ganzen Verfahren ging und geht es einzig und allein um das Abstrafen politisch unliebsamer Meinungen.

Darf in Deutschland zukünftig ohne Strafe noch gesagt werden, dass gewalttätige rassistische Angriffe in Deutschland zur Normalität gehören? Darf man Kritik am Parlamentarismus üben und von herrschenden Unterdrückungsverhältnissen sprechen? Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, dass mit solchen Ausführungen die Grenzen einer legitimen Kritik am Staat weit überschritten werden. Wie viel Gesellschaftskritik ist in Deutschland noch erlaubt? Dem Verwaltungsgericht ging es mit seiner politisch motivierten Entscheidung offenkundig um Zensur und die Unterdrückung von Kritik. Dies nennt sich Politische Justiz!

Otto Kirchheimer zufolge sprechen wir von politischer Justiz, wenn gerichtsförmige Verfahren politischen Zwecken dienstbar gemacht werden. Genau dies ist hier der Fall. Wenn staatliches Handeln und Regierungspraxis nicht mehr kritisiert werden darf, weil dies dem Ansehen Deutschlands schaden könnte, macht man politisches Engagement grundsätzlich unmöglich. Wir sind heute hier, weil wir unser Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigen! Das Berufsverbot ist ein undemokratisches Instrument zur politischen Disziplinierung!


An den Schulen und Hochschulen wird mit der Renaissance der undemokratischen Berufsverbote ein Klima der Angst geschürt. Studierende sollen davon abgehalten werden, sich mit Alternativen für die Gesellschaft überhaupt zu befassen.

An den Schulen und Hochschulen darf kein Zustand der ängstlichen Anpassung herbeigeführt werden! Ein Klima der Einschüchterung bedeutet das Ende der in der Demokratie notwendigen Zivilcourage! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Schülerinnen und Schüler zu Emanzipation und Kritikfähigkeit erziehen wollen, kann das nicht mit Lehrern geschehen, die zur Anpassung gezwungen werden.


Dem Kampf gegen das Berufsverbot von Michael Csaszkóczy  kommt über den
Einzelfall hinaus eine enorme Bedeutung zu. Das hessische
Innenministerium hat nach dem Urteil gegenüber der Presse darauf hingewiesen, dass auch in Hessen antifaschistische Initiativen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen.

Diese Bespitzelung muss aufhören: Gerade Gruppen wie der Heidelberger Antifa und couragierten Menschen wie Michael Csaszkóczy ist es zu verdanken, wenn Rechtsextreme vor Ort nicht Fuß fassen können!


Der eigentliche Herr dieses Berufsverbots ist der Verfassungsschutz, dessen Aussagen ohne Überprüfung übernommen werden. Die Definitionsmacht liegt vollständig in den Händen der Geheimdienste: Die Verfassungschutzämter entscheiden, wer eine Gefahr darstellt. Niemand kann vor Überwachung und Schnüffelei durch die Verfassungsschutzämter sicher sein, eine demokratische Kontrolle gibt es nicht. Dies öffnet der Willkür und der Gesinnungsschnüffelei Tür und Tor. Es ist allein schon ein Skandal, dass über zehn Jahre von Michael Csaszkóczy Daten gesammelt, gespeichert und weitergegeben wurden!

Dem Verfassungsschutz wird faktisch die Rolle eingeräumt, zu entscheiden, wer in Deutschland Lehrer werden darf. Wenn der Verfassungsschutz eine solche Macht erhält, bedarf es einer kritischen Überprüfung der Rolle der Verfassungsschutzämter.


Mit dem Berufsverbot werden rechtsstaatliche Grundsätze wie die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten. So heißt es in der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, dass bereits begründete Zweifel für ein Verbot ausreichend seien. Es bestünde keine Vermutung der Verfassungstreue bis zum Beweis des Gegenteils.

Die Beweislast wird so umgedreht: Der vermeintliche Verfassungsfeind muss nun den Beweis dafür erbringen, dass er oder sie verfassungstreu ist. Bei den Berufsverbotsverfahren gilt folglich die Devise: Jeder ist potentiell verdächtig. Da es um das konkrete Verhalten der Person in der Regel überhaupt nicht geht, ist es folglich nahezu unmöglich, den Beweis für die Verfassungstreue zu erbringen. Wie bei den politischen Berufsverbotsprozessen der 70er Jahre wird auch Michael Csaszkóczy keinerlei persönliches Fehlverhalten vorgeworfen, sondern eine „Kontaktschuld“ und „Gesinnungsuntauglichkeit“ durch die Mitgliedschaft in der vom Verfassungsschutz beobachtete Antifaschistischen Initiative Heidelbergs konstruiert. Dies reicht für ein Berufsverbot nach Ansicht der Kultusministerien in Baden-Württemberg und Hessen sowie des Verwaltungsgerichts in Karlsruhe bereits aus.

Wir fordern die Kultusministerien in Baden-Württemberg und Hessen erneut auf, das Berufsverbot zurückzunehmen! Wir haben einen langen Atem und werden auch weiterhin alles dafür tun, dass Michael Csaszkóczy in den Schuldienst übernommen wird!


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird höchste Zeit, dass wir uns dem schleichenden Grundrechteabbau entschieden entgegen stellen.


Deshalb sagen wir:

Nein zum Abbau von Demokratie und Grundrechten!

Weg mit dem Berufsverbot!