Redebeitrag Michael Csaszkóczys

bei der Demonstration gegen Berufsverbote, Mannheim, 27.01.2007


Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,


zunächst einmal möchte ich mich bedanken dafür, dass Ihr hier seid, aber auch für all die Solidarität und Unterstützung, die ich in den vergangenen drei Jahren von ganz unterschiedlichen Seiten bekommen habe. Ich habe in den letzten Jahren viele Menschen kennen gelernt, die in den 70er und 80er Jahren Berufsverbot hatten, aber auch Menschen, die auf ganz andere Weise von der staatlichen Repression betroffen wurden, die sich in Deutschland immer schon gegen alles gerichtet hat, was über den gesellschaftlichen Status Quo hinaus zu denken wagt. Die Begegnungen mit ihnen und ihre Solidarität bedeuten mir tausendmal mehr, als alles, was irgendwelche Damen und Herren im Schulamt oder im Ministerium von mir denken oder vielleicht denken könnten.


Ich freue mich besonders, dass so viele Berufsverbotsbetroffene aus den 70er und 80er Jahren hier sind. Die meisten von ihnen haben Jahre, viele von ihnen Jahrzehnte politisch und juristisch gegen ihr Berufsverbot gekämpft. Einige haben juristische Teilerfolge erzielt, andere sind vor Gericht unterlegen. Aber bis heute steht für alle von ihnen die öffentliche Rehabilitierung und die materielle Entschädigung aus. Willy Brandt, der mit seinem Radikalenerlass den Startschuss für die beispiellose Hexenjagd gab, die mit den Berufsverboten der 70er Jahre verbunden war, hat diese Entscheidung später lapidar als politischen Fehler bezeichnet. Ein ziemlich schwaches Wort für die massenhafte Außerkraftsetzung von Grund- und Menschenrechten wie dem Recht auf Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf freie Berufswahl. Konsequenzen sind aus dieser späten Einsicht Brandts aber ohnehin niemals gefolgt. Eine Entschuldigung für das Unrecht, das damals Tausenden widerfahren ist, hat es ebensowenig gegeben wie eine finanzielle Entschädigung. Wenn wir heute gegen Berufsverbote demonstrieren, geht es uns auch darum, dieses Kapitel der BRD nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und seine Aufarbeitung einzufordern.


Ich weiß so gut wie Ihr, dass es in der Kampagne gegen das Berufsverbot nicht in erster Linie um meine Person geht. Ob ich nun Lehrer werden kann oder nicht, ist tatsächlich eine eher nachrangige Frage. Es gibt in diesem Land viel zu viele Menschen, die von Arbeitslosengeld II oder unter noch schlechteren Bedingungen leben müssen und ich bin beileibe nicht der Einzige, der nicht den Beruf ausüben kann, den er gerne ausüben möchte und für den er qualifiziert ist. Worum es eigentlich geht, ist die Zerstörung eines politischen Klimas, in dem eine offene Diskussion über dringend notwendige gesellschaftliche Veränderungen überhaupt erst möglich werden könnte. Die Atmosphäre von Duckmäusertum, Konformismus und Einschüchterung, die in unserer Gesellschaft und insbesondere an Schulen und Universitäten herrschen, sind sicherlich nicht ausschließlich auf die Berufsverbote seit den 70er Jahren zurückzuführen. Aber die stetige Drohung, die von ihnen ausgeht, hat sicherlich einen guten Teil dazu beigetragen. Wie viele Lehramtsstudentinnen und -studenten fragen sich, ob es für sie überhaupt noch angebracht ist, auf Demonstrationen zu gehen oder ob sie sich damit schon dem Verdacht aussetzen, dem Staat gegenüber nicht loyal genug zu sein. Dieser Druck, auf keinen Fall aufzufallen oder vom Mainstream abzuweichen, erhöht sich in der Schule noch. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Schülerinnen und Schüler ein Recht haben auf Lehrer, die eine eigene Meinung haben und sie auch vertreten. Es ist geradezu lachhaft, die Politikverdrossenheit von Jugendlichen zu beklagen, wenn man ihnen gleichzeitig immer wieder vor Augen führt, dass politisches Engagement nur in sehr engen Grenzen statthaft ist, und bestraft wird, sobald es auf eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft abzielt.


In der Zeit seit der Verhängung des Berufsverbots habe ich mehrfach davon gehört, dass junge Lehramtsstudenten und -Studentinnen vom Verfassungsschutz unter Druck gesetzt wurden, wenn sie sich weigerten, als Spitzel tätig zu werden – so wurde beispielsweise in der taz dokumentiert, dass einem Lehramtsstudenten aus Bremen gedroht wurde, er wüsste doch sicher, was seine mangelnde Kooperationsbereitschaft für seinen weiteren Berufsweg bedeuten könnte. Der selbe Inlandsgeheimdienst, der solche Drohungen ausspricht hat dafür gesorgt, dass das Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert ist und zwar weil – laut Bundesverfassungsgericht – nicht mehr auseinanderzuhalten war, wer aus Überzeugung Nazi, wer aus Überzeugung Verfassungsschutzagent und wer aus Überzeugung beides war. Wenn man nun erfährt, dass sich Ministerium und Verwaltungsgericht in meinem Verfahren fast ausschließlich auf die Einschätzungen dieses sogenannten Verfassungsschutzes stützen, muss man sich nicht wundern, wenn Antifaschismus zum staatsfeindlichen Handeln erklärt wird. Ein solcher antidemokratischer Geheimdienst musss nicht besser kontrolliert oder demokratisiert werden, er muss abgeschafft und aufgelöst werden, weil er mit einer demokratischen Gesellschaft unvereinbar ist.


Die Verhängung eines Berufsverbots dient der Stigmatisierung. Es soll staatlicherseits demonstriert werden: „Seht her, hier ist einer, von dem Ihr Euch fernzuhalten habt, wenn ihr weiter als unverdächtige Statsbürger durchgehen wollt!“. Wenn ich sehe, wie breit das Spektrum ist, das zu dieser Demonstration mobilisiert hat, dann kann ich erleichtert feststellen, dass diese Rechnung nicht aufgegangen ist. Es geht nicht darum, all meine politischen Meinungen zu teilen oder alle meine politischen Handlungen gut zu finden. Es geht um die Verteidigung der offenen Diskussion und der politischen Handlungsfreiheit, die Grundvorraussetzungen sind, wenn wir diese Gesellschaft verändern wollen. Denn diese Gesellschaft braucht Veränderung! Wer fragt eigentlich danach, wie die Verantwortlichen in den Ministerien und beim Verfassungsschutz es mit Menschenrechten, Demokratie und Menschenwürde halten? Wir sollten uns diese Begriffe nicht nehmen lassen, auch wenn sie von denen, die an der Macht sind oft genug bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden.


Mir geht es an dieser Stelle nicht darum, ein Berufsverbot für Frau Schavan oder den Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm zu fordern. Der hatte kürzlich in der Bildzeitung zum Besten gegeben, auch unter Folter erpresste Aussagen für seine Arbeit nutzen zu wollen. Aber von Menschen dieser Denkungsart sich vorschreiben zu lassen, was unter Demokratie zu verstehen ist, hieße wirklich, den Bock zum Gärtner zu machen. Ich kann nur die Lektüre des Verfassungsschutzberichtes nahelegen. Wer sich dort den Bereich ‚Linksextremismus‘ ansieht, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass „Demokratie“ für den Inlandsgeheimdienst ein Synonym für „Kapitalismus“ ist. In diesem Sinne bin ich nach den Maßstäben des Verfassungsschutzes dann tatsächlich ein Feind der Demokratie. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte sein muss und dass wir alle an dem Versuch arbeiten müssen, eine gerechtere und bessere Wirtschaftsordnung zu entwickeln, wenn die Menschheit nicht vor die Hunde gehen soll.


Die Proteste gegen das Berufsverbot haben in den vergangenen drei Jahren nicht abgenommen,wie das der Verfassunschutz in seinem Bericht vor zwei Jahren prophezeit hatte. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das so bleibt! Je mehr Menschen öffentlich ihre Rechte einfordern und sich gegen Einschüchterung und Vereinzelung wehren, desto weniger greift die staatliche Disziplinierung einer offenen Diskussion.

Wir haben in den letzten drei Jahren gemeinsam bewiesen, dass wir einen langen Atem haben. Den werden wir auch weiterhin brauchen. Sorgen wir dafür, dass die Berufsverbote, vor allem aber ihre gesetzlichen Grundlagen, auf dem Müllhaufen landen. Zeigen wir der staatlichen Anti-Antifa in Ministerien, Behörden und Geheimdiensten, dass der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Grundrechtsabbau wesentlich mehr AnhängerInnen hat, als sie sich das gedacht haben!