Folgender Antrag wurde auf der 35. ordentlichen
Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Baden-Württemberg 15./16. Mai
2004 einstimmig angenommen:


Solidarität mit Michael Czaszkoczy!
Sofortige Aufhebung aller Berufsverbote!

Am 15.12.2003 erhielt das VVN-BdA Mitglied, Realschullehrer Michael
Czaszkoczy, seit Sommer 2001 auf der Bewerberliste für das Lehramt in
Baden-Württemberg, ein Schreiben des Oberschulamtes Karlsruhe. Darin
wurde ihm mitgeteilt, dass einschlägige Erkenntnisse des
Innenministeriums aus den Jahren 1992-2002 Zweifel daran aufkommen
ließen, dass er bereit sei, jederzeit für die
"freiheitlich-demokratische Grundordnung" der Bundesrepublik Deutschland
einzutreten. Diese Schreiben bedeutet den Auftakt zu einem
Berufsverbotsverfahren, da der ursprüngliche geplante Einstellungstermin
(01.02.2004) bereits verstrichen ist.

Michael Czaszkoczy ist seit 1989 in Heidelberg politisch aktiv. Neben
seinem Engagement in der VVN setzt er sich in der Antikriegsbewegung,
für Selbstverwaltete linke Zentren und in der Roten Hilfe e. V. ein. Als
Erkenntnisse“, auf die sich das Oberschulamt bezieht, werden Herrn
Czaszkoczy die Anmeldung mehrer Demonstrationen gegen Neonazis und
deutsche Kriegseinsätze, Teilnahmen an Demonstrationen gegen den
Überfall auf den Irak, sowie Reden auf antifaschistischen Kundgebungen
vorgehalten. Auch die Mitautorschaft an einer historischen Dokumentation
der VVN-BdA über die antifaschistische Widerstandsgruppe „Lechleiter“
stellt für die Behörde einen Ablehnungsgrund dar.

Die systematische Praxis politischer Berufsverbote in der BRD geht
zurück auf den 1972 eingeführten sog. "Radikalenerlass". Bis zum Jahre
1990 wurde auf Grundlage dieses "Erlasses" 3,5 Mio. Anfragen an diverse
staatliche Behörden über Bewerber und bereits Angestellte im
öffentlichen Dienst getätigt. Insgesamt gab es 11.000 offizielle
Berufsverbotsverfahren mit 1.250 endgültigen Ablehnungen. Fortgesetzt
wurde die Praxis politischer Berufsverbote nach dem Beitritt der
Deutschen Demokratischen Republik zum Geltungsbereich des Grundgesetzes
1990. Hunderttausenden Beschäftigte des öffentlichen Dienstes,
Angehörigen der staatlichen Organe, Wissenschaftlern und weiteren
Beschäftigenten der ehem. DDR wurde unter Verweis auf angebliche
"Staatsnähe" die Lebensgrundlage entzogen.

Diese Berufsverbotspraxis ist grundgesetzwidrig. Sie widerspricht Art. 2
GG (Allg. Handlungsfreiheit), Art. 3 GG (Diskriminierungsverbote), Art.
4 GG (Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses), Art. 9 GG (Recht
auf Bildung von Vereinen und Gesellschaften), Art. 12 (Recht auf freie
Berufswahl). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat
die bundesdeutsche Praxis in diesem Sinne als Verstoß gegen die
Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt.

Mit dem vorliegenden Verfahren gegen Michael Czaszkoczy soll noch
schärfer als bisher gegen unerwünschtes politisches Engagement
vorgegangen werden. Diesem Vorgehen muss im Bündnis mit allen
gesellschaftlichen Kräften breiter Widerstand entgegengesetzt werden.

1. Die Delegierten der 35. ordentlichen Landesdelegiertenkonferenz
VVN-BdA Baden-Württemberg verurteilen das laufende
Berufsverbotsverfahren gegen den Realschullehrer Michael Czaszkoczy. Sie
solidarisiert sich mit dem Betroffenen und fordert die rückwirkende
Einstellung zum ursprünglich in Aussicht gestellten Termin.

2. Die Delegierten der 35. ordentlichen Landesdelegiertenkonferenz
VVN-BdA Baden-Württemberg wenden sich weiter gegen jede Form der
Beobachtung antifaschistischer Gruppen und Organisationen durch die
Landesämter bzw. das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dementsprechende
Tätigkeiten genannter Behörden sind umgehend zu beenden.

Der Landesverband unterstützt und verbreitet obige Erklärung.