Das “vertiefte Einstellungsgespräch” mit Michael Csaszkóczys wird aus der Sicht des Oberschulamts protokolliert. Csaszkóczy selbst reicht eine differenziertere Stellungnahme nach.


Oberschulamt Karlsruhe


23.04.04


Niederschrift


über das vertiefte Einstellungsgespräch

mit dem Lehramtsbewerber Michael Csaszkóczy


Gemäß der Einladung des Oberschulamts Karlsruhe vom 24.03.2004 erscheinen im Oberschulamt, Hebelstr.2, Zimmer 235, am Mittwoch, d. 21. April 2004, gegen 9 Uhr,



Weiter anwesend sind


(...)


Herr Walter führt mit Herr Csaszkóczy das pädagogisch-fachliche Einstellungsgespräch, welches von Frau Bretzer insofern protokolliert wird.


(...)


Sodann setzt Herr Brandner die Protokollierung fort:

Herr Csaszkóczy wird befragt zu den vorliegenden und ihm bekannten Erkenntnissen des Innenministeriums. Herr Csaszkóczy überreicht eine 3-seitige Stellungnahme zu den einzelnen Punkten zu den Akten. (...)


Zu M. Csaszkóczys Einsatz für ein selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum in Heidelberg:


Auf Frage: Was die Verwendung des Begriffs “selbstverwaltetes Zentrum angeht, so handelt es sich bei diesem Begriff um die Ablösung des Begriffs “Autonomes Zentrum”, weil der letztgenannte Begriff stigmatisiert erschien. Eine inhaltliche Änderung ist hiermit nicht verbunden.


Herr Csaszkóczy wird angesprochen auf eine Veröffentlichung in der Homepage des Autonomen Zentrums.org/ai...

Herr Csaszkóczy erklärt, dass “ai” für “Antifaschistische Initiative” steht.


Auf Frage: Ich bin Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Ich stehe persönlich hinter dem Inhalt der angesprochenen und zu den Akten genommenen Veröffentlichung.


Gegen 10.30 Uhr wird das Gespräch zur Beratung Herrn Csaszkóczys mit seinem Rechtsanwalt für einige Minuten unterbrochen. Nach Rückkehr von Herrn Csaszkóczy in Begleitung seines Rechtsanwalts erklären beide übereinstimmend, sie könnten sich zu dem Papier nicht pauschal äußern. Sie möchten sich jedoch differenziert schriftlich äußern und kündigen eine entsprechende Äußerung bis Ende April 2004 an.


Das Gespräch wird daraufhin gegen 10.45 Uhr beendet.





gez. Brandner gez. Bretzer




Nachgereichte Erklärung von Michael Csaszkóczys


Zum Ende des Einstellungsgesprächs wurde sehr deutlich gemacht, dass die Zweifel an meiner Verfassungstreue in allererster Linie aus meiner Mitarbeit bei der AIHD resultieren. Vorgehalten wurde mir die Veröffentlichung der AIHD im Internet, verbunden mit der Frage, ob ich “persönlich hinter dem Inhalt stehe”. Ich habe überlegend diese Frage in Frageform wiederholt, um sie dann genau so nachdenkend/überlegend zögerlich zu bejahen; dies deshalb, weil die Antwort in dieser pauschalen und affirmativen Form, wie sie sich dann auch im Protokoll wiederfindet, nicht richtig ist. Zu der Frage möchte ich meine Antwort ausführlicher differenzieren.

Der erwähnte Text ist ungefähr vier Jahre alt und stellt eine Art Plattform dar, unter der sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugung zu einem bestimmten Zweck organisieren, nämlich um der fortschreitenden Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Die Aussagen des Textes sind daher bewusst abstrakt und allgemein gehalten. Ihre Konkretisierung erfahren sie in der Praxis der AIHD und vor allem jedes einzelnen Gruppenmitglieds.

Es ist der Text einer Gruppe, die ihre Wurzeln in der autonomen Bewegung der 80er Jahre hat, sich aber, wie später im Text aufgeführt wird, nicht als autonome Grupppe begreift. Ich wurde insbesondere dazu aufgefordert, mich zu folgender Textpassage zu positionieren: “Da wir unsere eigenen Interessen nicht an andere delegieren wollen und davon überzeugt sind, dass sich auf parlamentarischem Wege nichts an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen ändern lässt, arbeiten wir parteiunabhängig und basisdemokratisch in der außerparlamentarischen Opposition.”

Dass ich meine Interessen nicht an andere delegieren will, ist der Grund, warum ich selbst politisch tätig werde. Die AIHD wendet sich nicht gegen Parlamente und Parteien, insbesondere nicht gegen die Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Text ist ausdrückklich von “parteiunabhängiger” Arbeit die Rede, die es den einzelnen Gruppenmitgliedern offen lässt, ob sie sich zusätzlich in Parteien engagieren wollen. Unterdrückungsverhältnisse herrschen in unserer Gesellschaft in vielfältiger Form. Zu denken ist beispielsweise an strukturelle rassistische Unterdrückung oder antisemitische Ressentiments. Dementsprechend kann es nicht allein staatliche Aufgabe sein, dagegen anzugehen.

In unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung gibt es außer der Wahl von parlamentarischer VertreterInnen viele andere Möglichkeiten, zur Meinungsbildung und zur Gestaltung gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse beizutragen. Dazu gehört Öffentlichkeitsarbeit ebenso wie z.B. Demonstrationen oder Streiks. Welches dieser Mittel den größten Einfluss auf die gesellschaftliche Realität hat, ist eine Anschauungsfrage, die vom Grundgesetz nicht beantwortet wird.

Die Art und Weise, wie die AIHD ihre Entscheidungen gestaltet, ist basisdemokratisch. Von einem Anspruch, unsere gesamte Gesellschaft dem Prinzip der Basisdemokratie unterzuordnen, wie dies in der Anhörung interpretiert wurde, ist ausdrücklich nicht die Rede.

Was mich persönlich betrifft, so ist es für mich nach den Erfahrungen mit dem Scheitern der Weimarer Republikund mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wichtiger Inhalt meines Lebens, gegen neofaschistische Bestrebungen deutlich Position zu beziehen. Das nicht allein zu tun, sondern im Rahmen einer Gruppe, die genau dies zum Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt hat, halte ich nicht nur für sinnvoll, sondern auch für notwendig.

Eine weitere Stelle sehr allgemeiner Natur, zu der ich Stellung beziehen sollte, ist folgende: “Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente Selbstrefrexion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet, betrachten wir dabei als ein legitimes Mittel im Kampf um Befreiung.”

Zunächst einmal wird in dieser Passage deutlich, dass Militanz keine selbstverständliche und allgemeingültige Haltung ist, sondern strengen Kriterien und Einschränkungen unterliegt. Militanz bedeutet für mich eine entschlossene, widerständische Haltung, die nicht vor Konfrontationen zurückscheut. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn Neonazis einen Aufmarsch durchführen, halte ich es nicht für sinnvoll, kilometerweit davon entfernt davon sein Missfallen zu bekunden, sondern stattdessen vor Ort deutlich seinen Protest kundzutun und ihnen zu zeigen, dass sie nicht erwünscht sind. Wenn auf diese Weise ein Naziaufmarsch verhindert werden kann, ist das für mich ein Beispiel geglückter Militanz.

(...)

Michael Csaszkóczy, Heidelberg, 28.04.2004