In seiner Klagebegründung legt Rechtsanwalt Martin Heiming dar, auf welch fragwürdige Weise die “Erkenntnisse” über Michael Csaszkóczy zustande gekommen sind und an das Oberschulamt gekommen sind.

Weiterhin geht es um die tendenziöse Art der Gewichtung dieser Erkenntnisse durch das Oberschulamt und die bedenkliche Art, auf die der deutsche Inlandsgeheimdienst eigenständig Politik macht.



Martin Heiming, Rechtsanwalt,

18.03.2005

an das

Verwaltungsgericht Karlsruhe

In der Verwaltungsrechtsache Csaszkóczy / Land Baden-Württemberg, Oberschulamt Karlsruhe

Wird die Klage vom 30.11.2004 wie folgt begründet:

(...)

Zu verdeutlichen bleibt der Beginn dieses Verfahrens insoweit, als nicht das zuständige Oberschulamt Karlsruhe im Rahmen des dortigen Bewerbungsverfahrens, sondern das Kultusministerium selbst eine Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz bezüglich des Klägers gestellt hat. Wie es dazu kam, ist für den Kläger bis heute nicht vollständig nachvollziehbar. (...)

Erkennbar ist jedenfalls, dass die Anfrage ohne vorherige Benachrichtigung des Bewerbers, des jetzigen Klägers, und damit vorschriftswidrig erfolgte.

Die angefochtenen Bescheide verletzen Artikel. 2, 3, 5, 9, 12, i.V.m. 7 und 33 Grundgesetz und §6, 11, LBG Baden-Württemberg, aber auch Artikel 10, 11 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Für die Beklagten ergeben sich Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers "vor allem aus dem langjährigen Verhaftetsein ... in einer verfassungsfeindlichen Szene" und aus der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation – Antifaschistische Initiative heidelberg (AIHD) – in Verbindung mit der Ausübung "besonderer Aktivitäten" für diese Organisation.

Dafür sind die in Bezug genommenen Erkenntnisse kein ausreichender Beleg, im Gegenteil.

Die "20-Punkte-Liste" des Innenministeriums beschreibt ein herausragendes demokratisches Engagement des Klägers, der in dankenswerter Deutlichkeit erkannte Mißstände in unserer Gesellschaft benennt, wobei er einerseits die Zustände an den hohen Vorgaben des Grundgesetzes misst und andererseits sich der ebenfalls von unserer Verfassung vorgegebenen Mittel bedient, beispielsweise Demonstrationen, um darauf aufmerksam zu machen.

Dabei ergeben sich aus der Liste und vor allem den eigenen Erläuterungen des Klägers dazu, die ebenfalls im Widerspruchsbescheid wiedergegeben sind, vornehmlich drei Schwerpunkte seiner politischen Arbeit:

Er engagiert sich gegen Krieg und Faschismus und, lokal an seinem Heimatort Heidelberg, für das AZ, ein selbstverwaltetes Jugendzentrum.(...)

Deutlich wird dabei, dass der Kläger sich immer öffentlich engagiert und mit seinen Anliegen gerade auch die Öffentlichkeit zu erreichen sucht.

Iin schwierigen Situationen bemüht er sich um Vermittlung und Konfliktlösung, wobei er den Ordnungsbehörden ganz offensichtlich als verlässlicher Ansprechpartner gilt. (...)

Der Beklagte hat (...) ganz offenbar, ohne die einzelnen Vorgänge im einzelnen gründlich zu prüfen, die in der 20-Punkte-Liste gleich am Anfang vorweggenommene Gesamtbewertung des Innenministeriums, der Kläger sei " dem Landesamt für Verfassungschutz Baden-Württemberg seit 1992 als Angehöriger der linksextremistischen Szene in Heidelberg bekannt", zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

Formal gestützt wird die Entscheidung durch den weiteren und im Kontext wesentlichen Vorwurf des Beklagten an den Kläger, Mitglied der AIHD, einer verfassungsfeindlichen Organisation zu sein.

Dabei folgt für den Beklagten ihre Verfassungsfeindlichkeit bereits aus der Tatsache, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet und als linksextrem eingestuft wird. Diese Auffassung greift zu kurz und ist im Ergebnis fehlerhaft. Dies ergibt sich vornehmlich aus zwei Überlegungen.

Zum einen:

Der Beklagte und das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg sind im Grunde rganisationsidentisch, denn sowohl das Kultusministerium als auch das Innenministerium, zu dem das Landesamt für Verfassungsschutz gehört, sind Teil der Landesregierung. Diese Exekutive ist an Recht und Gesetz gebunden, nicht aber an Feststellungen und Vorgaben, die ein Teil der Verwaltung einem anderen Teil der Verwaltung vorgibt. Es ist daher in jedem Fall nicht ausreichend und damit ebenfalls fehlerhaft, als Voraussetzung für die eigene Entscheidung die Bewertung des LfV als gegeben lediglich zu übernehmen.

Der Verweis auf die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Landesbeamtengesetzes (VwV-LBG), hier Randnummer 10.2, zweiter Absatz, Sätze 1-3 zu § 6 LBG, ist daher nicht tauglich, eine wirkliche Rechtsgrundlage zu benennen. Dass diese VwV im Juli 2003 neu gefasst und gerade mit diesem Passus ergänzt wurde, also zum Zeitpunkt der ersten Hinweise des LfV an den Beklagten in dieser Sache, mag dabei durchaus kein zeitlicher Zufall gewesen sein.

Zum zweiten:

Das wichtige Ziel der AIHD ist es, Faschismus und Neofaschismus zu bekämpfen. Dies bedeutet ganz konkret, vor allem Aufmärschen und Kundgebungen der NPD entgegen zu treten, nach Möglichkeit zu verhindern. Gerade in diesem Zusammenhang aber ist der Verfassungsschutz sozusagen als befangen einzustufen und von daher nicht in der Lage, verlässliche Informationen, richtiger: Bewertungen, zu liefern für eine Entscheidung des Beklagten in einem Bewerbungsverfahren. Dies wiederum folgt daraus, dass auch der Bundestag, auf anderem Wege als die AIHD, nämlich durch einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht, die NPD als Partei zu verbieten, Aufmärschen und Kundgebungen der NPD entgegen treten wollte. In diesem Verfahren hat sich gezeigt, dass die Verfassungsschutzämter nicht nur Spitzel in der Parteiorganisation der NPD platziert haben, sondern es wurde darüber hinaus deutlich, dass es diese Mitarbeiter der Verfassungsschutzämter selbst waren, die bestimmte Aktionen der NPD, wegen derer sie gerade verboten werden sollte, erst organisiert und realisiert haben. Das Bundesverfassungsgericht sah sich jedenfalls veranlasst, die Durchführung des Verbotsverfahrens deswegen zu verweigern. Es ist nicht vorstellbar, dass ein in dieser Weise mit der NPD verquickter Geheimdienst eine Gruppierung, die sich den Neofaschisten gerade deutlich entgegen stellt, vorurteilsfrei beobachtet und bewertet. Markant belegen lässt sich dies außerdem damit, dass das LfV in seinen jährlichen Berichten das Wort Antifaschismus durchgängig in Anführungszeichen setzt; dies ist 60 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches nicht akzeptabel und disqualifiziert jede Äußerung zu diesem Thema.

Im übrigen ist die verfassungsschützerische Bewertung kaum geeignet, "die Antifaschisten" als gewaltbereite Linksextremisten zu beschreiben. (...)

Auf der ebenfalls zitierten Seite 112 (des Verfassungsschutzberichtes Baden-Württemberg 2002) wird speziell von der AIHD berichtet, bei einer Demonstration im April 2002 habe diese bei einer Demonstration für Frieden in Palästina ein Transparent mit der Aufschrift "Frieden und Gerechtigkeit auch für Israel" gezeigt und damit innerhalb der Demonstration Proteste und Tumulte ausgelöst, die aber friedlich blieben.

(...)

Abschließend bleibt festzuhalten:

Die Vorgaben des LfV sind rechtlich und inhaltlich ungeeignet. Die 20-Punkte-Liste des Innenministeriums ist formal und inhaltlich falsch behandelt und gewichtet worden.(...) Das konkrete Verhalten des Klägers bei einzelnen Vorgängen aus der Liste ist nicht gründlich, und so zumindest teilweise auch positiv, gewürdigt worden. Es ist nicht, zumindest teilweise gegengewichtig, in Beziehung gesetzt worden zu dem weiteren Vorwurf der Mitgliedschaft der AIHD. Dies ist allein deshalb schon fehlerhaft, weil eine solche Mitgliedschaft lediglich ein Indiz für die fehlende Verfassungstreue eines Lehramtsbewerbers ist, das im Zusammenhang mit anderen Indizien einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen ist. Bei dieser Gesamtbetrachtung fehlt auch völlig die Erwähnung, geschweige die Würdigung im Unterricht im Vorbereitungsdienst, das gerade auch im Hinblick auf die Frage der Verfassungstreue absolut tadelsfrei (...)

Heiming, Rechtsanwalt